
Wärmenetze
Kommunen sind ideale Träger oder Vermittler von Wärmenetz-Projekten, da sie als neutrale Ansprechpartner Vertrauen genießen und oft über geeignete Liegenschaften verfügen. Hier erfahren Sie, worauf es bei der Planung ankommt.
Mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland entfällt auf die Wärmeversorgung – ein Bereich mit erheblichem Einsparpotenzial. Bislang erfolgt die Wärmeversorgung größtenteils dezentral, denn viele Gebäude verfügen über eigene Heizungsanlagen wie eine Wärmepumpe, Öl- oder Gasbrenner und erzeugen Wärme für den eigenen Bedarf. Mit der Energiewende und dem Trend zu erneuerbaren Energiesystemen erleben Wärmenetze nun eine Renaissance. Die Technologie ist nicht neu: Seit Jahrzehnten bekannt als Nah- oder Fernwärme, etabliert sie sich im Zuge moderner Energieversorgung und kommunaler Wärmeplanung zunehmend.

So funktioniert ein Wärmenetz:
Ein Wärmenetz liefert zentral erzeugte Wärme über Rohrleitungen zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Mindestens zwei Gebäude, beispielsweise Rathaus und Schule, werden über eine Wärmeleitung zusammengeschlossen. Es können auch Gebäude mehrerer Straßenzüge versorgt werden. Die Wärme wird meist in Form von Wasser von der zentralen Wärmeerzeugungsanlage zum Abnehmer transportiert. Dort wird über die Heizübergabestation der hauseigene Heizkreislauf erwärmt. Dabei kühlt das Wasser im Wärmenetz ab und fließt zurück zur Wärmequelle, wo der Kreislauf von vorne beginnt. Typische Wärmequellen sind Heiz(kraft)werke, Biogasanlagen, Solarthermieanlagen, Großwärmepumpen und Abwärme aus Betrieben
Begriffsbestimmung: Nahwärme, Fernwärme, Gebäudenetz
Die begrifflichen Übergänge zwischen Nah- und Fernwärme sind fließend, da nicht genau definiert. Nahwärme wird über vergleichsweise kurze Strecken in kleinere dezentrale Wärmenetze transportiert. Von Fernwärme ist die Rede, wenn Wärme über größere Netze und längere Leitungen übertragen wird. Die größten Fernwärmenetze befinden sich in dicht bebauten Städten wie Hamburg, München und Berlin. Ein Gebäudenetz umfasst zwei bis maximal 16 Gebäude und bis zu 100 Wohneinheiten, die von einem Wärmeerzeuger mit Wärme versorgt werden. Unsere Wärmenetze-Karte enthält große und kleine Wärmenetze und die Praxisbeispiele zeigen innovative und erfolgreiche Projekte.
- Gemeinschaftliche Wärmeversorgung spart Energie und Ressourcen.
- Mit Wärmenetzen können verschiedene erneuerbare Wärmequellen (Abwärme, Biomasse, „Überschussstrom“, Geothermie, Solarthermie, Hydrothermie etc.) flexibel kombiniert werden. Durch dieses gekoppelte Energiesystem wird ganzjährig eine sichere Versorgung gewährleistet. Kommunale Klimaschutzziele lassen sich realisieren und es wird ein lokaler Beitrag zur Energiewende geleistet.
- Ein Wärmenetz mit erneuerbaren Energien kann die regionale Wertschöpfung steigern und verringert die Abhängigkeit von externen (fossilen) Energielieferungen. Eine stabile Energieversorgung ist zudem ein Standortkriterium.
- Die Abwärme von Unternehmen oder Biogas-Blockheizkraftwerken kann im Wärmeverbund verwendet werden, was in privaten Heizungsanlagen nicht möglich ist. Sie wird sinnvoll genutzt, anstatt "aus dem Schornstein herausgeheizt".
- Ein gut geplantes Wärmenetz mit effizienter, zentraler Heiztechnik kann im Vergleich zu mehreren einzelnen, privaten Heizanlagen effizienter arbeiten.
- Hausbesitzer sparen die Kosten für eine eigene Heizungsanlage und müssen sich nicht um Betrieb und Wartung kümmern. Außerdem wird die seit 2024 gesetzlich geforderte 65-Prozent-Regel erfüllt.
- Wärmenetze sind nicht per se umweltfreundlich. Insbesondere heiße, hochtemperaturige Netze (Temperaturen zwischen 90 °C und 130 °C) können große Wärmeverluste aufweisen.
- Die Wahl der Wärmequelle trägt entscheidend zur CO₂-Bilanz eines Wärmenetzes bei. In konventionellen heißen Wärmenetzen sind oft fossile Energieträger im Einsatz, die mittelfristig durch erneuerbare Energien ersetzt werden müssen.
- Bei Niedertemperaturwärmenetzen (Vorlauftemperatur je nach Gegebenheiten zwischen 25 °C und 90 °C) können auch Solarthermie und Abwärme als Wärmequellen dienen. Grundsätzlich gilt: Je niedriger die Betriebstemperatur von Wärmenetzen ist, desto besser können Solarthermieanlagen oder Abwärmequellen in die Versorgung eingebunden werden.
- Ein Sonderfall ist kalte Nahwärme (Vorlauftemperatur 5 °C bis 25 °C). Sie ist eine effiziente Lösung für Neubaugebiete mit geringem Wärmebedarf und ggf. Kühlbedarf im Sommer. Als Wärmequellen kommen See-, Fluss-, Grund- und Abwasser, ggf. Bodenkollektoren und Erdsonden zum Einsatz.
- Bei Wärmenetzen mit geringer Temperatur ist am Verbrauchsort eine dezentrale Wärmepumpe erforderlich, um die Temperatur auf das erforderliche Niveau zum Heizen und für die Warmwasserversorgung zu heben, während bei Netzen mit hoher Betriebstemperatur lediglich eine Wärmeübergabestation im Gebäude notwendig ist.
Exkurs: Effizienz einer Wärmepumpe:
Der Temperaturhub, den die Wärmepumpe von der Quelltemperatur (z. B. Umweltmedium Luft oder Wasser) zur Zieltemperatur (Wärmenetztemperatur, Heiztemperatur) aufbringen muss, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Effizienz. Die Erfahrung zeigt, dass Großwärmepumpen (Wärmepumpen > 100 kW), die häufig Wärme in heiße Wärmenetze einspeisen, eine Jahresarbeitszahl im Bereich von 2,0 bis 2,4 aufweisen (ΔT 80 K, Netzverluste ca. 15 Prozent). Sie liegen damit nicht besser als dezentrale Luft-Wärmepumpen. Bei der Planung neuer Wärmenetze sollte daher der Einsatz kalter Wärmenetze geprüft werden.
Wichtige Kenngrößen:
- Leistungszahl (häufig auch COP, „coefficient of performance“): Die Leistungszahl beschreibt das Verhältnis von abgegebener Heizwärme zu der für den Betrieb der Wärmepumpe eingesetzten Energie (Strom). Je größer der Temperaturhub ist, desto kleiner ist die Leistungszahl.
- Jahresarbeitszahl (JAZ) : Die Jahresarbeitszahl ist definiert als das Verhältnis der erzeugten Wärmemenge zu der dafür benötigten Strommenge in einem Jahr. Je höher die Jahresarbeitszahl einer Wärmepumpe, desto energieeffizienter arbeitet sie.
- Ergebnisse aus der Kommunalen Wärmeplanung, einem Energiekonzept oder einem Energienutzungsplan zeigen hohe Wärmebelegungsdichten und damit einen hohen Wärmebedarf auf kleinem Raum.
- In der Kommune gibt es ungenutzte Wärmequellen wie eine Biogasanlage oder industrielle Abwärme.
- Erneuerbare Rohstoffquellen, die zum Beispiel als Brennstoff für einen Biomassekessel genutzt werden könnten, sind regional verfügbar.
- Es sind ganzjährige Großabnehmer wie Pflegeheime, Bäder oder Hotels vorhanden.
- In kommunalen Gebäuden steht eine energetische Sanierung bzw. der Austausch von Heizungsanlagen an.
- In älteren Baugebieten werden Gebäude- und Heizungssanierungen notwendig.
- Straßen-, Kanal-, Glasfaser- oder Trinkwasserleitungssanierungen stehen bevor. Bei den ohnehin notwendigen Erdarbeiten können Wärmeleitungen mit verlegt werden.
- Ein Neubaugebiet wird geplant.
- Viele Anwohnende sind bereit, sich an ein Wärmenetz anzuschließen.
- Langfristige Strategie: Die Planung von Wärmenetzen sollte auf einer langfristigen Energiestrategie beruhen und das Ergebnis von Instrumenten wie kommunaler Wärmeplanung, Energienutzungsplan oder einer Wärmebedarfskarte sein. Der Kartenteil des Energie-Atlas Bayern zeigt eine Karte mit Abwärmequellen und über die Abwärmeinformationsbörse können Sie ungenutzte Abwärmequellen identifizieren und nutzen. Da jedes Wärmenetz anders und nur unter bestimmten Voraussetzungen ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, sollten Sie das Konzept abhängig von den Bedürfnissen und Gegebenheiten Ihrer Gemeinde entwickeln.
- Information und Kommunikation: Sorgen Sie für ein klares Bekenntnis der kommunalen Verantwortlichen zum Wärmekonzept. Informieren Sie frühzeitig und transparent und beziehen Sie die Nachbarschaft und andere Beteiligte ein. Dies ist wichtig, um Anwohnende zur Teilnahme am Wärmenetz zu motivieren. Nutzen Sie unterschiedliche Kommunikationskanäle (Infoveranstaltungen, individuelle Beratungsgespräche, Tag der offenen Tür, Internet, Amtsblatt, Social Media etc.) und informieren Sie regelmäßig über den Projektfortschritt. Kommunizieren Sie Kostenstruktur, Vertragsdetails sowie Nutzen und Vorteile für Anschlussnehmer klar und nachvollziehbar.
- Wärmespeicher: Planen Sie einen Wärmespeicher ein. Dieser hilft Bedarf und Erzeugung zeitlich zu entkoppeln und Spitzenlasten abzufangen.
- Qualität: Sparen Sie nicht an der Qualität! Ein Wärmenetz ist eine langfristige strukturelle Maßnahme. Die Materialen der Wärmeleitungen inklusive ihrer Dämmung müssen die hohen qualitativen Anforderungen für eine Lebensdauer von mindestens 40 bis 50 Jahren erfüllen. Lassen Sie sich bezüglich der verwendeten Materialien beraten und achten Sie auf die Einhaltung der DIN-Vorschriften. Verbauen Sie Doppelrohre und Isolierungen für bessere Energieeffizienz und beachten Sie die Verbindungstechnik für ein in sich abgestimmtes und geprüftes Gesamtsystem.
- Wartung und Optimierung: Die fachgerechte Einregelung des Wärmenetzes bei Inbetriebnahme sowie eine regelmäßige Überprüfung inklusive Monitorings mit ggf. Durchführung von Optimierungsmaßnahmen sind wichtige Voraussetzungen für den dauerhaften effizienten Betrieb des Wärmenetzes. Grundlage für die Qualität des Monitorings sind die Installation geeigneter Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Lassen Sie sich von Fachleuten beraten.
Ein kommunales Wärmenetz muss wirtschaftlich tragfähig sein. In der Regel rechnet es sich, wenn es technisch richtig ausgelegt ist und bezogen auf die Leitungslänge ausreichend viele Abnehmer hat. Bei der Preisgestaltung sollte bedacht werden, dass die potenziellen Anschlussnehmer ihre Entscheidung vom Wärmepreis abhängig machen.
Hilfsmittel und Förderung:
- Verschiedene Kennzahlen helfen Ihnen bei einer ersten Einschätzung. Besonders aussagekräftig ist die Wärmebelegungsdichte, die die jährliche Wärmemenge pro Trassenmeter angibt.
- Die kostenlose Software „Sophena“ hilft bei der Auslegung und Wirtschaftlichkeitsberechnung von Heizwerken und Nahwärmenetzen.
- Nutzen Sie Förderprogramme!
Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU):
Förderfibel Umweltschutz: alle Förderprogramme auf einen Blick
Centrales Agrar-Rohstoff- Marketing- und Energie-Netzwerk e. V. (C.A.R.M.E.N.):
C.A.R.M.E.N.-Förderdatenbank
Technologie- und Förderzentrum (TFZ):
Förderprogramm BioWärme Bayern
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA):
Wärme- und Kältenetze
Wärmenetzsysteme 4.0
Die detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnung sollten Sie von spezialisierten Fachleuten durchführen lassen.
- Neutrale Fachleute und Fachbüros helfen bei der Auswahl des richtigen Versorgungs- und Temperaturkonzepts. Achten Sie darauf, dass Sie unabhängig von bestimmten Techniken oder Konzepten beraten werden und Ihre Ansprechpersonen entsprechende Fachkenntnis haben. Unterstützung und Beratung bei der Konzeption und Umsetzung erhalten Sie auch bei den regionalen Energieagenturen und vom Institut für nachhaltige Energieversorgung (INEV).
- In der Studie „Vernetzte Wärmeversorgung in Bestandsquartieren“ der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) und auf den Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz finden Sie Tipps und Hinweise zur erfolgreichen Planung und Umsetzung von Wärmenetzen.
- C.A.R.M.E.N. e. V. bietet zum Teil kostenfreie Beratungen und Dienstleistungen rund um die Planung und Durchführung von Wärmenetzen an.
- Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) der Deutschen Energie-Agentur (dena) bietet Veranstaltungen zum Thema Wärmewende und Wärmeplanung. Zudem stellt es einen Leitfaden zur "Wärmeplanung" und den "Technikkatalog Wärmeplanung 1.1" zur Verfügung, der Preise in Form eines Exceltools enthält.
- Die Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE) stellt Musterverträge für Energiedienstleistungen zur Verfügung.
Minimierung des Gebäudeenergiebedarfs voranbringen
Der Anschluss an ein Wärmenetz kann die CO2-Emissionen senken und einen Beitrag zur Energiewende leisten. Oberste Priorität einer effizienten und klimaschonenden Wärmeversorgung ist es jedoch, den Wärmebedarf von Gebäuden so weit wie möglich zu senken. Denn: Nicht benötigte Wärme muss nicht erzeugt werden. Der Energie-Atlas Bayern unterstützt Sie mit Tipps und Informationen zum Thema energieeffizient Bauen und Sanieren.
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) und Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU):
Leitfaden "Wärmenetze in Kommunen - In zehn Schritten zum Wärmenetz"
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK):
Wärmenetze: Heizen mit Fernwärme
Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. (AGFW):
Was ist Fernwärme? Informationen, Fragen und Antworten.
Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) der Deutschen Energie-Agentur (dena):
Wärmenetze
Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites):
Solare Wärmenetze
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.:
Merkmale verschiedener Wärmenetze (Quelle für Temperaturangaben)
Danfoss A/S
Fernwärme auf Niedertemperatur oder kalte Nahwärme? (Quelle für Temperaturangaben)
Links und Downloads
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB):
Leitfaden Wärmeplanung (PDF)
Bundesumweltamt:
Gesellschaftliche Unterstützung für eine erfolgreiche Wärmewende - Handbuch zur gesellschaftlichen Beteiligung in der kommunalen Wärmewende (PDF)
Gebäudeforum Klimaneutral (dena):
Vernetzte Wärmeversorgung in Bestandsquartieren: Handlungsstrategien und Anwendungsfälle für die Initiierung, Planung und Umsetzung vor Ort
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.:
Informationen zur Wärmewende und Wärmenetzen
Mediathek „Wärmeplanung“