Energie aus Abwasser

Mit der Wärme des Straubinger Abwassers werden 102 sanierte Wohnungen mittels Wärmepumpentechnik beheizt.
Projektträger: Stadt Straubing

Beschreibung

Auslöser

Die Idee, das Wärmepotenzial des Abwassers zu nutzen, entstand bereits im Jahr 2006. Ende 2007 machte die Stadtverwaltung Straubing ein konkretes Objekt ausfindig, bei dem die Rahmenbedingungen für dieses ambitionierte Projekt stimmten.

Einerseits stand aus Altersgründen in einer Wohnanlage der städtischen Wohnungsbaugesellschaft sowieso die generelle energetische Sanierung an. Andererseits waren an diesem Standort die Voraussetzungen zur Nutzung der Abwasser-Abwärme gegeben. So wird hier nicht nur Primärenergie und CO₂ eingespart, sondern darüber hinaus wird das große Wärmepotenzial von Abwasser deutlich und die Technik wird in der Praxis angewendet.

Die Straubinger Wohnanlage der Städtischen Wohnungsbau GmbH mit elf Gebäuden und 7.150 m² Wohnfläche besteht aus insgesamt 102 Wohnungen. Neben der Dämmung der Fassaden sollten bei einer energetischen Generalsanierung auch die Ölbrenner in den einzelnen Wohnungen durch eine moderne Zentralheizung ersetzt werden.

2007 zeigte eine Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros GMF, die vom Bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wurde, dass die Abwasserwärmenutzung durch den Einsatz einer neu entwickelten Verfahrenskombination aus Siebanlage und einem eigens für diese Aufgabe entwickelten Wärmetauscher im Bypass-Kreislauf sowohl technisch als auch wirtschaftlich die sinnvollste Lösung ist. Denn in unmittelbarer Nähe zu den Gebäuden verläuft einer der Hauptsammler des Kanalsystems.

Das für Duschen, Baden, Waschen und Spülen erhitzte Wasser verlässt die Gebäude mit einer mittleren Temperatur von 25°C. In der Kanalisation hat das Schmutzwasser in Deutschland im Jahresmittel immerhin noch eine Temperatur von 15°C. Der Trockenwetterabfluss des Hauptsammelkanals von im Mittel 160 m³/h ist mehr als ausreichend.

Denn aus dieser Abwassermenge lässt sich bei einer Temperaturabsenkung von 1°C zwischen 420 und 840 kWh Heizenergie gewinnen, was den Jahresheizwärmebedarf von 540.000 MWh der insgesamt 7.150 m² Wohnfläche deutlich übersteigt.

Zudem ermöglichte der Komplettaustausch des Heizsystems den Wechsel zu einer Fußbodenheizung, die durch ihre niedrige Heizungsvorlauftemperatur für das eingesetzte Wärmepumpensystem besonders geeignet ist.

Durchführung

Mit dem Verfahren werden rund 65 % der erforderlichen Heizenergie aus dem Abwasser gewonnen. Ein Viertel der Energie muss in Form von Strom zum Betrieb der Wärmepumpe eingesetzt werden. Dieser Strom soll ebenfalls aus Abwasser gewonnen werden. Auf der Straubinger Kläranlage arbeitet eine Co-Vergärungsanlage, die aus Klärschlamm und anderen Bioabfällen Biogas erzeugt. Mit dieser Querverbindung und weiteren, stofflichen Verwertungsmaßnahmen soll gezeigt werden, dass es möglich ist, aus dem Abwasser quasi alles Wertgebende - inklusive Energie - herauszuholen.

Da die innovative Technik deutlich höhere Investitionen erforderte als ein konventioneller Brennwertkessel, hat die Stadt Straubing im Vorfeld eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchführen lassen. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Pilotanlage bereits bei einer Gaspreissteigerung von durchschnittlich 5 % im Jahr wirtschaftlich betrieben werden kann.

Dementsprechend zahlen die Bewohner/innen der Anlage Heizkosten analog zum ortsüblichen Gaspreis, denn eine Zusatzabgabe wäre nicht vermittelbar. Doch Erdgas hat sich allein in den letzen acht Jahren um 58 % verteuert - das entspricht einer durchschnittlichen Verteuerung von über 7 % im Jahr. Eine gegenläufige Entwicklung ist nicht zu erwarten. Demgegenüber sind die Kosten für die Abwasserwärmenutzung nahezu konstant. Deshalb wird sich die Anlage - je nach Preissteigerung - voraussichtlich in 20 Jahren amortisieren.

Technisches Konzept

Das technologisch neue Konzept arbeitet im Bypass-Kreislauf mit Elektro-Kompressions-Wärmepumpen in Kombination mit einem Wärmetauscher und vorgeschalteter Abwassersiebung, ergänzt um Spitzenlast-Brennwertkessel.

Aus einem Zusammenführungsbauwerk wird ein Teil des Abwassers über eine Schwelle einem eigens gebauten Pumpen- und Siebschacht zugeführt. Hier strömt es zunächst durch eine Siebanlage aus Edelstahl. Mit einem Lochdurchmesser von 3 mm hält sie die meisten Feststoffe zurück. Dies ist notwendig, um den nachfolgenden Wärmetauscher zu schützen. Das Abwasser wird über 2 Pumpen über eine knapp 100 Meter lange Leitung zum Betriebsgebäude gepumpt.

Die Kombination aus Siebanlage und einem speziellen Wärmetauscher hat die Hans Huber AG gezielt für die energetische Verwendung von Rohabwasser entwickelt. Denn bisherige Wärmetauscher sind entweder für nahezu feststofffreies Wasser oder für Klärschlamme geeignet. Der Wärmetauscher besteht aus einer Behälterkonstruktion mit geruchsdichter Abdeckung. Eine geometrisch an die Wärmetauscherflächen angepasste Reinigungseinheit sorgt für eine ständig saubere Oberfläche und gewährleistet damit eine kontinuierlich hohe Leistung.
Das Gerät ist so aufgebaut, dass Fette und Schwimmstoffe ungehindert passieren können. Im Wärmetauscher wird der separate Heizwasserstrom des Gebäudekomplexes erwärmt. Anschließend heben zwei Elektro-Kompressions-Wärmepumpen die Temperatur dieses Wassers auf die erforderliche Vorlauftemperatur der Heizung an. Über ein gedämmtes Wärmenetz werden die angeschlossenen Wohngebäude beheizt.

An besonders kalten Tagen kann es vorkommen, dass die von der Wärmepumpe bereit gestellte Energie nicht ausreicht, um die Wohnungen angemessen zu heizen. Für die Abdeckung dieser Spitzenlasten wurden mit Gas gefeuerte Kombispeicher installiert, die dezentral im Keller jedes Gebäudes stehen und eigentlich für die Legionellen-Prophylaxe in der Warmwasserbereitung gedacht sind. Sie können jedoch gleichzeitig die Heizungsanlage unterstützen.

Zitate

  • "Die hier gegebene Kombination aus innovationsfreudigem Anwender, planersicher Kompetenz und technischem know-how ist praktisch idealtypisch. Damit kann im Heimatmarkt ein Referenzobjekt entstehen, das als Vorbild für viele weitere nationale und internationale Anlagen dienen kann." (Dr. Manuela Wimmer, Geschäftsführerin des Umweltclusters Bayern)

Tipps

  • Alle Schnittstellen zwischen Liegenschaftsbetreiber, Energielieferant, Abwasserbetrieb und Heizungs-Anlagenbetreiber vor Projektbeginn festlegen.
  • Der Energiebedarf für die Brauchwassererwärmung liegt derzeit bei jährlich ca. 45 kWh / m². Um diesen Prozess mit regenerativer Energie zu betreiben und auf fossile Energie weitgehend zu verzichten (nur Spitzenlast) sollte eine Wärmepumpe (2-stufig) genutzt werden.

Stolpersteine

  • Frage der Kostenverteilung muss frühzeitig mit allen Beteiligten geklärt werden; hier wurden die Kosten, die eine konventionelle Heizung verursacht hätte, zwischen Tiefbauamt und der Städt. Wohnungsbaugesellschaft Straubing als Liegenschaftseigentümer verteilt.

Beispiel gemeldet: 04/2010

zuletzt aktualisiert: 07/2021