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Ausblick auf Burghausen an der Salzach in der Grenzregion Oberbayern

Energiebedarf im Chemiedreieck

Warum wird im Chemiedreieck so viel Energie benötigt und profitiert die ansässige Industrie wirklich von der Windenergie und einem Windpark vor Ort? Auf einen Blick für Sie: Antworten auf häufige Fragen zum Energiebedarf in der Region.

Die Unternehmen im Bayerischen Chemiedreieck erwirtschaften einen Gesamtumsatz von mehr als 10 Mrd. Euro und damit rund 5 Prozent des Umsatzes aller deutschen Chemieunternehmen. Mit ca. 20.000 direkten und 45.000 indirekten Arbeitsplätzen sowie rund 1.000 Ausbildungsplätzen pro Jahr ist das Chemiedreieck ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Die Arbeitslosenquote liegt mit 3,0 % (Stand: 10/2023) dabei deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Die Vorgaben der EU und des Bundes zur Klimaneutralität bedeuten im Fall der Chemieindustrie, dass fossile Prozesse durch einen höheren Elektrifizierungsgrad ersetzt werden müssen. Dazu muss einerseits die Energieversorgung (Strom, Wärme- und Dampferzeugung) von der bislang überwiegend fossilen Basis (vor allem Erdgas) auf nachhaltige Quellen umgestellt werden. Infrage kommt hier in erster Linie grüner Strom, beispielsweise als Grundlage für Wärmepumpen. Andererseits müssen zur Erreichung der Klimaneutralität auch die Rohstoffe konsequent auf Nachhaltigkeit transformiert werden. So basiert beispielsweise Ethylen, einer der wichtigsten Rohstoffe, bislang auf Erdöl. Alternativ könnte Ethylen über mehrere Zwischenschritte nachhaltig aus (grünem) Wasserstoff und CO2 hergestellt werden, dieser Prozess ist jedoch sehr stromintensiv. Daher bringt die Abkehr von fossilen Rohstoffen in der chemischen Industrie zwingend einen (deutlich) erhöhten Strombedarf mit sich, auch für das Chemiedreieck.

Auch die Region leistet einen entscheidenden Beitrag, um den erhöhten Strombedarf zu decken. Aktuell bauen die Chemieunternehmen selbst massiv ihre Möglichkeiten der klimafreundlichen Energiegewinnung aus, sei es in Form von Photovoltaik-Anlagen, Biomassekraftwerken oder Geothermie. Als Beispiel kann hier Wacker Chemie herangezogen werden. Bei Wacker wurden rund 14.500 Quadratmeter an Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen bestückt. Jedoch wird sich selbst bei maximaler Ausnutzung aller infrage kommenden Flächen im Werk von Wacker der Anteil an der Stromversorgung nur im einstelligen Prozentbereich bewegen. Im Vergleich z. B. zu Windenergieanlagen ist der Flächenbedarf bei gleicher Leistung wesentlich höher. Das inzwischen 100 Jahre alte Wasserkraftwerk ist bei Wacker nach wie vor in Betrieb und liefert knapp 10 % des Strombedarfs. Eine weitere Leistungssteigerung ist laut Wacker hier nicht mehr möglich. Wacker gewinnt in Burghausen rund 60 % des Prozessdampfs aus Abwärme. Künftig will Wacker auf die bestehenden Abwärmeströme noch verstärkt Wärmepumpen einsetzen und so das auf fossilen Energien beruhende Gaskraftwerk obsolet machen. Wärmepumpen aber benötigen Strom – „grünen“ Strom mit Blick auf das Ziel Klimaneutralität. Auch dafür ist der Strom aus den Windenergieanlagen erforderlich. 

Gerade an energieintensiven Industriestandorten ist es zur Erreichung der Klimaneutralität unumgänglich, erneuerbare Energien aus- und aufzubauen. Das Chemiedreieck ist eine industrielle Schwerpunktregion in Bayern mit einem hohen Energiebedarf. Ein Windpark kann kostengünstigen Strom vor Ort erzeugen, die Versorgungssicherheit in den Wintermonaten erhöhen und damit zur Sicherung von Industriearbeitsplätzen beitragen. Deswegen gilt es nun, unter Einbeziehung aller Interessensgruppen eine konstruktive und zukunftsfähige Lösung für das Projekt im Altöttinger Forst zu finden.

Die Betriebe unterliegen häufig der Störfallverordnung und damit entsprechend strengen Sicherheitsauflagen. Auch die weiteren einzuhaltenden Anforderungen wie z. B. Mindestabstände sowie Abstände der einzelnen Anlagen zueinander dürften einem relevanten Ausbau der Windenergie auf dem jeweiligen Betriebsgelände entgegenstehen.

Das Bayerische Chemiedreieck hat einen immensen Strombedarf von derzeit rund fünf Terawattstunden Strom/Jahr. Dies entspricht etwa 1 % des Gesamtverbrauchs in Deutschland. Ein Zehntel dieser derzeit benötigten Menge könnten 40 Windräder erzeugen – ein beachtlicher Anteil für die Versorgungssicherheit und Netzstabilität der regionalen Industrie.

Der Windpark hat nicht das Ziel, den gesamten Energiebedarf der Industrie zu decken. Aber er leistet einen signifikanten Beitrag zur lokalen Erzeugung von grünem Strom.

Es stimmt, dass Windkraft und Photovoltaik volatil sind. Doch sie ergänzen sich gut – schließlich weht der Wind auch nachts und im Winterhalbjahr, wenn Photovoltaik-Anlagen weniger Ertrag bringen, sogar tendenziell stärker. Hinzu kommt: So wie im Privathaushalt mit eigener Photovoltaik-Anlage das Verbrauchsverhalten an die Leistung angeglichen werden kann, so können auch Großverbraucher wie die Chemieindustrie Prozesse anpassen. Elektrolyseure beispielsweise können binnen kürzester Zeit an- und abgefahren werden. Damit könnte die Chemieindustrie – sofern entsprechend attraktive Voraussetzungen geschaffen werden – mit einer flexibleren Produktion Schwankungen in der Energieerzeugung nachfahren und entsprechend stabilisierend wirken. Zudem stehen weitere Möglichkeiten der Energiespeicherung zur Verfügung, die in den vergangenen Jahren deutlich kostengünstiger geworden sind und eine Stromversorgung aus Wind und Sonne ergänzen.

Es bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder mittels direkter Leitungen zu den Unternehmen, die dann als Direktabnehmer fungieren, oder über die Einspeisung in das öffentliche Netz.