Kläranlage als Vorreiter in Sachen Energieeffizienz

Die Stadtwerke Rödental setzen bei ihrer Kläranlage u. a. auf einen intensiven Entwässerungsprozess des Klärschlamms und die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung bei der Verbrennung des Faulgases.
Projektträger: Stadtwerke Rödental

Beschreibung

Auslöser

In der Kläranlage Rödental (35.000 Einwohnerwerte) waren wesentliche Anlagenteile veraltet. Daher wurde das Projekt bereits 2006 mit Vorstudien begonnen. Der Bau wurde 2011 beendet und der Betrieb der neuen Anlage konnte im Mai 2012 aufgenommen werden.

Durchführung

Als Projektziel wurde festgelegt, dass die Abwasserreinigung umweltgerecht erfolgen sollte, dass die neue Anlage energetisch bis zur Grenze der Wirtschaftlichkeit optimiert werden sollte und dass neue Wege bei der Nutzung von Klärschlamm möglich gemacht werden.

Um diese Ziele zu erreichen, wurde ein Entwässerungsprozess eingerichtet, durch den der aus der Reinigung des Abwassers entstehende Klärschlamm sehr stark entwässert wird. Dabei kommt zunächst die sogenannte Bucherpresse zum Einsatz. Diese stammt ursprünglich aus der Fruchtsaftherstellung und kann neuerdings auch für Klärschlamm eingesetzt werden. Sie entwässert den Schlamm von 3,5 % auf 31 % Feststoffgehalt. Im Anschluss kommt er in eine Trocknungshalle, die mit einem Gewächshaus zu vergleichen ist. Hier trocknet der Klärschlamm weiter und gibt den größten Teil des Wassers an die Umgebungsluft ab. Zurück bleibt ein höherer Teil Feststoff (70 %), der eine umso höhere Energiedichte hat.

Dieses in der Praxis kaum verbreitete Verfahren bietet ein großes Energieeinsparpotenzial: Eingespart werden 970 t Wasser pro Jahr, die nicht energieaufwendig entsorgt, transportiert und im Müllheizkraftwerk (MHKW) Coburg von 20 °C auf 100 °C erhitzt, dann verdampft und dann von 100 °C auf 800 °C überhitzt werden müssen. Der auf diese Weise getrocknete Klärschlamm hat sogar ähnliche Stoffwerte wie Braunkohle und führt somit zu einer höheren Energieeffizienz im MHKW Coburg. Aus Abfall entstand ein Energieträger.

In der Kläranlage Rödental kommen noch weitere innovative Techniken zum Einsatz, die die Energiebilanz der Kläranlage optimieren:

Zwei Mikrogasturbinen erzeugen aus dem im Faulturm entstehenden Faulgas in Kraft-Wärme-Kopplung jeweils 30 kW elektrische Leistung und jeweils 70 kW thermische Leistung. Sie haben einen hohen Wirkungsgrad von 80 % und ersparen der Umwelt damit 460 t CO₂ pro Jahr. Der Strom wird für den Betrieb der Kläranlage und die Wärme für den Faulbehälter verwendet.

Außerdem wird die Energie des Filtrats genutzt, das mit 37 °C aus dem Faulturm kommt. Diese Wärme wird mittels einer Wärmepumpe ausgenutzt und in Form einer Betonkernaktivierung wieder dem Prozess zurückgeführt. Unterstützt wird das System durch eine sehr gute Wärmedämmung der Anlage.

Im Zuge des Projektes wurden zudem auch Anstrengungen zum Hochwasserschutz unternommen, wie beispielsweise die Schaffung eines Retentionsraumes für die Itz.

Nicht unerwähnt bleiben sollte das ungenutzte Potenzial für das Voranbringen der Energiewende, das durch die Flexibilität der Faulgasnutzung in den Mikrogasturbinen vorhanden ist: Im Sinne eines Smart Grids ("Intelligentes Netz") könnte Strom genau dann produziert werden, wenn die Stromproduktion durch regenerative Energieträger wie Wind oder Sonne gerade sehr gering ist, z. B. nach Sonnenuntergang oder bei Flaute. Die beiden Mikrogasturbinen können so positive Regelleistung ins Stromnetz liefern, indem sie beide zu 100 % Last laufen und den gesamten Gasvorrat aus dem Gastank schnell in Strom umwandeln. Die Wärme wird in dem wärmetechnisch sehr trägen Faulbehälter untergebracht. Gastank und Faulbehälter werden so zum Sekundärspeicher für das Stromnetz. Das klappt auch mit negativer Regelleistung: Wenn im Sommer um die Mittagszeit die Photovoltaikanlagen in Bayern voll produzieren und sich am Wochenende für diesen Strom keine Abnehmer finden, können die Mikrogasturbinen ausgeschaltet werden. Der kontinuierlich produzierende Faulbehälter liefert das Faulgas in den Gastank zu Speicherung. Durch die gute Isolierung ist der Wärmeverlust des Faulbehälters gering. Der Stromverbrauch der Kläranlage kommt dann aus dem "übervollen" Stromnetz und nicht aus der Eigenproduktion.

Wegen des Entfalls der konventionellen Energieerzeugung und der weiteren Zunahme der regenerativen Erzeugung durch Wind- und Solarenergie wird der Bedarf an positiver und negativer Regelleistung gerade in Bayern sehr stark zunehmen.
Die kommunalen Kläranlagen können mit ihren Potenzialen, Regelleistung zu liefern, zum starken Treiber der Energiewende werden.

Wenn Sie Fragen haben oder von unseren Erfahrungen profitieren wollen, rufen Sie uns einfach an oder mailen Sie uns. Wir geben unsere Erfahrung gerne weiter. Sie können uns auch einfach besuchen. Wir zeigen unsere Anlage gerne, weil wir wollen, dass sich die guten Sachen schnell verbreiten.

Zitate

  • "Die neue Abwasserreinigungsanlage der Stadt Rödental ist 10 Jahre voraus gedacht. Sie ist deswegen bundesweit ein Leuchtturmprojekt." (Dr. Manfred Löbl, Leiter Wasserwirtschaft an der Regierung von Oberfranken bei der Einweihungsfeier)
  • "Das ist das Besondere an den Stadtwerken Rödental als Rundum-Versorger einer kleinen Stadt: Die Anlage zeigt, was möglich ist, wenn man Abwasserreinigung und Energiewende verbindet. So werden in 20 Jahren alle kommunalen Kläranlagen aussehen." (Prof. Dr. Wolfgang Günthert, Universität der Bundeswehr in München-Neubiberg beim 41. Abwassertechnischen Seminar)
  • "...unglaublich, dass alles so logisch und so einfach ist!" (Lars Tepel, Wissenschaftsjournalist NTV)

Tipps

  • Solartrocknungsanlagen und Mikrogasturbinen lassen sich auch oft modular nachrüsten – es muss also nicht immer eine komplette Sanierung anstehen.
  • Vergessen Sie billig, rechnen Sie wirtschaftlich! Früher wurde das Billigste gekauft, heute das Wirtschaftlichste. Es reicht nicht mehr, nur an die Investitionskosten zu denken. Die Kostenminimierung des gesamten Lebenszyklus einer Anlage oder eines Aggregats muss entscheiden, was eingesetzt wird. Der kluge Kaufmann vergleicht neben der Investition auch die Betriebskosten und die -einsparungen einer Anlage oder eines Aggregates. Das liefert die Top-Lösung.
  • Heute ist unsere Anlage nur deswegen wirtschaftlich, weil sie Tonnage am Klärschlamm einspart. Folgende Punkte werden die Bilanz in Zukunft weiter verbessern: Wann können wir Zusatzeinnahmen erzielen, wenn wir Klärschlamm als Brennstoff verkaufen? Wieviel wird uns der Entsorger vergüten, weil er weniger fossiles Stützfeuer im MHKW wegen des hohen Brennwertes des getrockneten Schlamms braucht? Was wird das MHKW uns vergüten, weil es mehr Strom und Fernwärme aus dem Turbosatz nutzen kann?
  • Extras locken: Wenn der Klärschlamm zum Rohstoffträger wird, können viele kleine Abwasserreinigungsanlagen ihren getrockneten Klärschlamm in einer Monoverbrennungsanlage, z. B. auf bereits existierenden Standorten von MHKWs entsorgen. Die Asche wäre der Grundstoff für das kommende Phosphorrecycling. Oder vielleicht zu Pellets gepresster Dünger für die Landwirtschaft? All das wird auch die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern.
  • Neue Technik braucht Profis. Begeistern Sie Ihr Team in der Abwasserreinigung. Wenn Ihre Mitarbeiter Freude an der Technik, am Betreten von Neuland haben und aus der Routine des Alltags zu Neuem streben, fangen Sie mit Ihren Leuten doch einfach morgen an, nachzudenken, was Sie auf Ihrer Anlage tun können.
  • Schieben Sie den Paradigmenwechsel mit an: From the Cradle to the Cradle (von der Wiege bis zur Wiege). Seit Jahrmilliarden hat sich das Leben auf unserem Planeten so entwickelt. Alles wird und vergeht. Wir müssen deswegen versuchen, auch unsere Stoffströme nicht mehr in Ketten zu denken, sondern in Kreisläufen. Klärschlamm wandelt sich vom Abfall zum Energie- und Rohstoffträger. Er wird zu 100 % wiederverwendet. Kreisläufe werden geschlossen und enger gezogen.

Stolpersteine

  • Die Biomasse lebt! Mit der neuen Anlage haben wir gelernt, dass die Biomasse im Jahresverlauf unterschiedliche Werte hat. Früher fiel das nie auf. Mit der neuen Anlage haben wir noch viel zu tüfteln und zu optimieren. Das macht uns zum Glück viel Spaß und bringt uns immer wieder auf neue Ideen.
  • Keine Angst vor Investitionen. Unsere Anlage dürfte etwa 2 Mio. € teurer (8 Mio. € gesamt) als eine konventionell ausreichende Anlage gewesen sein. Diese Technik spart uns aber etwa 250.000 € pro Jahr durch Effizienz und vermiedenen Fremdbezug ein. Das ist auch gut für unsere Kunden.
  • Suchen Sie Ihre Lieferanten genau aus. Nehmen Sie nur Partner mit an Bord, die wie Sie denken und Ihren Pioniergeist teilen. Erfolgreiche Partner auf der Anlage lassen Sie auch dann nicht allein, wenn es einmal schwieriger wird. Beauftragen Sie nur Lieferanten, denen Sie volles Vertrauen schenken können.
  • Denken Sie nicht: Wir sind zu klein. Die Energiewende ist ein Marathon. Jeder Beitrag wird gebraucht. JEDER! Und wir Kleinen sind viele! Zusammen haben wir auch ein großes Gewicht. Unsere Abwasserreinigungsanlagen halten nicht nur die Biosphäre und Gewässer sauber. Eine moderne Abwassereinigungsanlage lebt die Dezentralität in der Energiewende. Was wir in der Fläche vor Ort regeln können, nimmt die großen Leitungen nicht in Anspruch.

Auszeichnungen

  • 11/2014: Umweltpreis

    verliehen von: Bayerische Landesstiftung, Dr. Markus Söder, Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat

  • 10/2014: ENERGY AWARDS 2014, "Stadtwerk des Jahres", Top 3

    verliehen von: Energy Academy, Think Tank zur Energiewende

  • 11/2012: Nominierung für den Innovationspreis Bayern

    verliehen von: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie

Beispiel gemeldet: 11/2014

zuletzt aktualisiert: 05/2021